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Rudolf Borchardt (1877-1945) war kein gelernter, aber ein leidenschaftlicher Gärtner. Das hat er im italienischen Exil mit seiner praktischen Arbeit in vielen Villen-Gärten bewiesen. Sein Buch "Der leidenschaftliche Gärtner", das er 1938 im Exil schrieb, das aber erst postum 1951 erschien, ist, so schreibt er selbst, das Buch eines Humanisten, nicht eines Botanikers oder Gartenplaners. Sein Thema ist das Verhältnis des Menschen zur Natur, zur Pflanze, zur Blume. Seine Sprache ist von dem Wunsch beseelt, dieses komplexe Verhältnis in feinsten Nuancen darzustellen. Beides, Thema und Sprache, wirken wie aus der Zeit gefallen. Aber gerade diese Zeit-Losigkeit

 machen den Text wertvoll und zu etwas Besonderem, auch wenn er immer wieder in Vergessenheit geriet und die wunderschöne Ausgabe in H.M. Enzensbergers Reihe "Die Andere Bibliothek" seit längerem vergriffen ist.

In der Reihe Naturkunden hat Judith Schalansky nun im Verlag Matthes & Seitz Berlin eine Neuausgabe des "Leidenschaftlichen Gärtners" veröffentlicht. Endlich ist Borchardts Text also wieder allgemein verfügbar. Die Neuausgabe basiert auf der Gesamtedition von 1968 und wurde von Pauline Altmann dezent und sparsam mit feinen Schwarz-weiß-Zeichnungen illustriert. Der Kunsthistoriker, Buchautor und Journalist Christian Welzbacher hat ein 15-seitiges Nachwort geschrieben, in dem er klug, einfühlsam und mit guter Kenntnis der Borchardt-Rezeption das Wesen und den Wert des Buches einfängt und dem Leser nahe bringt. Der Leser sollte dieses Nachwort lesen, ehe er mit Borchardts erstem Kapitel Der Mensch und die Blume beginnt. Oder er beginnt mit dem Kapitel „Säen, pflanzen, graben, nähren“, in dem Borchardt so kenntnisreich und schön über Bodenarten, die Behandlung des Samens, das Pikieren u.v.a.m. schreibt, dass man die moderne Ratgeberliteratur im eigenen Bücherregal auf der Stelle weiterverschenkt. Ein guter Einstieg ist auch Borchardts eigenes Postscript, in dem er seine Philosophie des Gärtnerns, genauer: der Gartenarbeit, zusammenfasst. Besser, exakter und informativer als die allermeisten Pflanzenratgeber ist der Katalog der Verkannten, Neuen, Verlorenen, Seltenen, Eigenen, der durch das sehr gut edierte Register der Pflanzennamen ergänzt wird.

Dies ist ein Buch für alle Gärtner, die nicht nur planen und gestalten, sondern den Sinn ihres Tuns mit Ernst reflektieren wollen. Ein alter Schatz, den es neu zu heben gilt.

 

Rudolf Borchardt, Der leidenschaftliche Gärtner, Naturkunden Bd. 24, herausgegeben von Judith Schalansky, Matthes & Seitz, Berlin 2016, 335 S.

 

(Rezension Ursula Alsleben)