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Cover SissinghurstEs gibt Bücher, auf die muss man erst mit der Nase gestoßen werden. So erging es mir mit „Sissinghurst. Portrait eines Gartens.“ Nicht schon wieder Sissinghurst, habe ich wohl gedacht und das schmale Bändchen in die zweite Regalreise verbannt. Das war ein Fehler, denn die Zusammenstellung von Briefen und Tagebucheintragungen des berühmten Ehepaares Vita Sackville-West und Harold Nicolson zu lesen, ist ein vielschichtiges Vergnügen, es trifft Emotionen und regt zum Nachdenken an. Zum einen erfährt man viel über die Schöpfung des Gartens von Sissinghurst aus dem Nichts. Ein paar heruntergekommene landwirtschaftliche Gebäude zwischen Brennnesseln, mehr war da nicht, als die beiden 1930 das Anwesen kauften. Dabei wird auch deutlich wie groß der häufig unterschätzte Anteil des Hausherrn an diesem Gartenentwurf ist. Er gab dem Garten seine Struktur, plante die Gartenräume und die Sichtachsen, während

seine Frau Vita für die Bepflanzung verantwortlich zeichnete und damit stilbildend wurde. Es ist spannend zu lesen, wie der Garten langsam Stück für Stück zu dem wurde, was wir heute kennen: Die Ikone britischer Gartenkultur, die seit 1967 vom National Trust sorgfältig erhalten wird.

Der Austausch des Ehepaars darüber, was dieser Garten ihnen emotional bedeutet, wie sehr Freude, Glück, Trauer und Enttäuschung damit verbunden sind, bringt einem die prominenten „Aushängeschilder“ britischer Gartenkultur menschlich nahe. Ganz besonders anrührend fand ich die sehr privaten Texte, die Einblick in die tiefe Liebesbeziehung der Beiden geben. Vertrauen und Respekt ist die Basis dieser durch nichts zu erschütternden Liebe. Im Portrait dieses weltberühmten Gartens spiegelt sich zugleich diese ungewöhnliche Ehe. Das herausgearbeitet zu haben, macht diesen Band so lesenswert.

Renate Hücking

Vita Sackville-West & Harold Nicolson: Sissinghurst. Portrait eines Gartens; zusammengestellt von Julia Bachstein; übersetzt von Susanne Lange; Schöfling Verlag, Frankfurt am Main 2017; 118 Seiten