Thoughtful Gardening
Wie übersetzt man den Originaltitel "Thoughtful Gardening" so ins Deutsche, dass die volle Bedeutung des Begriffs erfasst wird, aber nichts Unpassendes hinzugedacht wird und nichts Wichtiges verloren geht? Keins der Adjektive, die sich anbieten, so wie etwa achtsam, aufmerksam, bedächtig oder nachdenklich, entspricht dem Gehalt von thoughtful. Der Verlag Klett-Cotta hat sich deshalb wohl entschlossen, die Übersetzung des Buches von Robin Lane Fox (das englische Original erschien 2010) unter dem bescheidenen Titel "Der Englische Gärtner. Leben und Arbeiten im Garten" herauszubringen. Das ist ein ungeheures Understatement angesichts des Inhalts, der den Leser erwartet.
Robin Lane Fox ist von Hause aus
Althistoriker und lehrte bis 2014 an der Universität Oxford. Er gärtnert selbst seit seinem 10. Lebensjahr, hegt und pflegt den Campusgarten in Oxford und kultiviert seinen eignen Garten in den Cotswolds. Seit 48 Jahren schreibt er die wöchentliche Gartenkolumne der Financial Times, mit der er die Tradition der Vita Sackville West, die bis 1961 für den Observer schrieb, ohne Einschränkung fortsetzt.
"Thoughtful Gardening" wird im Buch von Susanne Held als „gedankenvolles Gärtnern“ übersetzt, und damit wird sie im Ansatz den philosophischen Überlegungen des Autors gerecht, wenn er über die Tätigkeit des Gärtnerns sinniert, die nicht nur bloße körperliche Garten-Arbeit ist, sondern ein Tun, das von Reflexion und Wissen durchdrungen ist.
Fox führt den Leser durch das Gartenjahr, beginnend mit dem Winter, und schreibt höchst kenntnisreich und mit langjähriger Gartenerfahrung über Pflanzen, Wetterverhältnisse, sein Verhältnis zur Royal Horticultural Society, über ungebetene Eindringlinge und deren entschlossene Bekämpfung – ob Dachs oder Giersch, Fox hält nichts von sog. biologischen Maßnahmen, und er hat auch keine Berührungsangst bzgl. Glyphosat und Co. Damit ist er so gar nicht politically correct, aber eben wohltuend ehrlich und bewundernswert unabhängig in seinem Urteil.
Der Autor ist viel und weit gereist, und so entführt er den Leser auch in zahlreiche fremde Gärten und zu interessanten Orte von Großbritannien aus über Holland und Frankreich nach Italien, zur Insel Capri und immer weiter bis nach Odessa. Natürlich kennt er sich mit historischen Zusammenhängen bestens aus und entfaltet ungeheuer viel Wissenswertes jenseits der reinen Gartenpraxis. Er stellt die klassische englische Gärtnerelite vor, Helen Dillon, Valerie Finnis, Rosemary Verey und selbstverständlich Christopher Lloyd und beschreibt sein ganz persönliches Verhältnis zu ihnen, und das ist selbst für den kundigen Leser noch ein großes und sehr persönliches Erlebnis.
Das englische Original trägt den Untertitel „Great Plants, Great Gardens, Great Gardeners“, und dieses Versprechen löst Fox ein. Leider gibt der deutsche Untertitel nicht den kleinsten Hinweis auf diese Themenfülle. Robin Lane Fox formuliert mit ausgesuchter Ironie und Selbstironie, geistreich und herzlich unsentimental, gelegentlich auch kernig, dabei ist ihm die Tonlage des Understatement die liebste, und es ist ein pures Vergnügen, seinen Ausführungen zu folgen. Es liegt wohl an gewissen Eigenheiten der deutschen Sprache, dass diese Tonlagen von der Übersetzung nicht so recht getroffen werden. Die Leichtigkeit des Originals will sich nicht einstellen, die Sätze kommen schwergewichtiger daher, als sie es sollten, viel Flair geht verloren. Darum sei jedem, der es zu lesen vermag, das Original empfohlen. Aber trotz mancher sprachlicher Schwächen macht die deutsche Ausgabe eindringlich klar, dass dieser Autor durchdrungen ist von lebendiger Gartenkultur. Gregory Long, Präsident des New York Botanical Garden, formuliert es kurz und knapp: „Dies ist Gartenliteratur vom Feinsten.“ Dem können wir nichts hinzufügen.
Robin Lane Fox, Der englische Gärtner. Leben und Arbeiten im Garten, a.d. Engl. übersetzt von Susanne Held, Verlag Klett-Cotta, 2018, 457 S.
Ursula Alsleben