Schauen, schmücken, schmecken – eine Gartenreise durch drei Nutzgärten
Sehen wir blühende Rabatten, elegant geschnittene Hecken, spiegelglatte Rasenflächen? Nein, nichts davon erwartet uns auf unserer Tagesfahrt am 10. Juli durch drei großartige Gärten im Nordwesten Mecklenburgs.
Unser Thema des Tages heißt: Nutzgärten. Klingt nach ödem Kartoffelacker und angefressenen Kohlköpfen, nicht wahr? Doch 18 Freunde und Freundinnen der Gartenkultur hatten andere Bilder im Kopf und folgten voller Neugierde der Einladung.
Schon immer haben mich Nutzgärten, Gemüsegärten, Gärten zur Selbstversorgung fasziniert und gepackt hat mich die Leidenschaft als ich mit unserer Gesellschaft den Gemüsegarten des Schlosses von Versailles, nicht weit entfernt vom allseits bekannten barocken Lustgarten des Sonnenkönigs, besuchte, den potager du roi. Hier können wir – allerdings in riesigen Ausmaßen – all das sehen, was den Nutzgarten in seiner sechstausendjährigen Geschichte ausmacht: Ein rechtwinkliges Wegekreuz mit einem zentralen Mittelpunkt, meist einem Brunnen oder Wasserbecken, manchmal auch einem Baum. Umgeben ist der Garten von einer Mauer. Auf Altpersisch: pairi-daeza = von einer Mauer umgeben, von den Griechen paradaisos genannt und von den Christen als Paradies spirituell erhöht.
Und so beginnt unsere Reise im 300 Quadratmeter großen Klostergarten des ehemaligen Prämonstratenserinnen Klosters von Rehna (Bild oben rechts) . Das Kloster im 13. und 14. Jahrhundert errichtet, ist noch sehr gut erhalten. Der Klostergarten wurde auf dem ehemaligen Friedhof der Nonnen – wahrscheinlich ein Obstgarten – angelegt und 2004 eingeweiht. Er erinnert uns in seiner Gestaltung an die Ursprünge unserer Gartenkultur. Der Klostergarten war ein Nutzgarten, ein Ort der Meditation, des Friedens, der Schönheit und Symbolik. Er war die "lebende Apotheke". Im Zentrum steht der Baum der Erkenntnis, ein Apfelbaum (die Sorte „Kaiser Wilhelm“ hat sicherlich keinen symbolischen Nährwert, eher einen geschmacklichen). Begeistert folgen wir der äußerst sachkundigen Leiterin Elke Lenschow, die uns auch noch durch einige (erholsam kühle) Räume des Klosters mitnimmt. Hier macht sie uns auf die teilweise noch erhaltenen wertvollen Wandmalereien und wundersamen Steinköpfe der „törichten Jungfrauen“ aufmerksam.
Nur wenige Autominuten entfernt erwartet uns in Bülow ein Garten „für alle Sinne“: Der Kastanienhof. In knapp 20 Jahren haben Hajo Kahl und sein Mann Dirk Endrulat aus 10 000 Quadratmeter einen Obst-, Gemüse-, Blumen- und Kräutergarten, geschaffen. Das Gelände fällt sanft in die Weite der mecklenburgischen Landschaft ab. Dies nutzten sie, um auf verschiedenen Terrassen ganz unterschiedliche Gartenräume zu schaffen. Dirk, der leidenschaftliche Gärtner, erklärt uns beim Spaziergang durch die Gartenräume, dass alles nach biologisch Ideen bearbeitet wird – ganz ohne Chemie. Herzstück ist der Gemüsegarten, in dem uns das wohl gestaltete Gemüse in unterschiedlichen Farben, Formen und in langen Reihen verblüfft und begeistert. Keinen angeknabberten Kohlkopf, keine zerfressene Petersilie, keine vertrockneten Erbsen. Staunen in der Runde: wie macht er das, wo doch jede Gärtnerseele in diesem Jahr unter Trockenheit und Schneckenplage leidet. Das Geheimnis: jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen, sorgfältig in allen Beeten die „Fressfeinde“ vernichten und anschließend gut wässern.
Nach über zwei Stunden sind wir von der Fülle dieses Paradieses– und von der fast subtropischen Hitze – ein wenig erschöpft, als wir in dem naheliegenden Garten von Maren und Herbert Riege in Königsfeld-Woitendorf eintreffen. Dort empfängt uns eine Kaffeetafel mit köstlichem selbstgebackenem Kuchen: Verschnaufpause mit Blick auf die mehrere Hektare großen Teil des Gartens, der als Landschaftsgarten gestaltet ist. Anschließend wandern die liebenswürdigen Gastgeber mit uns durch den riesigen Gemüsegarten, der ganz typisch mit einem Wegekreuz und einem Brunnen im Zentrum gestaltet ist. Eine lebendige „Mauer“ aus Obstbäumen und Hecken umfrieden den Teil des Gartens. Fast erleichtert sehen wir hier an manchem Gemüse die Fraß-Spuren unserer schleimigen Ungeheuer – auch hier wird ohne Chemie gegärtnert. Auf den umliegenden Weiden grasen die Pommern-Schafe und die Galloway-Rinder – ebenfalls für die Selbstversorgung bestimmt.
Ulli Gröttrup