Jahrestagung in Essen
Ein idealerer Ort zur Ausrichtung einer Tagung als das „Haus der Technik“ am Essener Hauptbahnhof ist in Abwandlung eines Tucholsky-Spruches nur denkbar, wenn man ein Plätzchen mit lauschigem, rosenduftenden Garten und zwitschernden Vögeln findet, das direkt am ICE-Bahnhof liegt und im Umkreis mehrere Hotels aufweist.Schwer zu finden... also doch lieber das „Haus der Technik“ mit modernen Hörsälen und perfekter Lage.
Schon am ersten Tag der Jahrestagung boten die Führungen durch die Gartenstadt Margarethenhöhe und das Moltkeviertel viele Anregungen zum Thema „Grüne Stadtplanung“ und zudem Nachdenkenswertes über gelebte Verantwortung der Unternehmerschaft: Die nach ihrer Stifterin Margarethe Krupp benannte Gartenstadt Margarethenhöhe entstand
zu Beginn des 20. Jh., als Margarethe Krupp nach dem Tod ihres Mannes Friedrich Alfred Krupp zwischen 1902 und 1906 die Geschickte des Unternehmens Krupp wie auch das der Villa Hügel bestimmte, von der man sagt, sie sei das größte Einfamilienhaus Deutschlands. Am 1. Dezember 1906 legte Margarethe Krupp den Grundstein zum Bau der Margarethenhöhe. Auf 50 ha und mit einem Baukapital aus ihrem Privatvermögen von einer Million Reichsmark (nach heutiger Kaufkraft etwa 5,8 Mio. EUR) entstand im Rahmen der Margarethe-Krupp-Stiftung ein ambitioniertes Siedlungswerk, das „vor allem der Wohnungsfürsorge für die minderbemittelten Klassen dienen soll“ und schon während seiner Entstehung zwischen 1909 und 1920 als Paradebeispiel einer zweckmäßigen und zugleich menschenfreundlichen Siedlungsbauweise galt, die als hervorstechende Details geschwungene Giebel, Erker, Laubengänge, Holzläden und Natursteine zeigt. Handwerker und Künstler trugen zur Gestaltung von Gebäuden, Plätzen und Gartenanlagen bei, die auf der Margarethenhöhe lebten und arbeiteten.
Fast zeitgleich entstand das Moltkeviertel, Ziel einer anderen Exkursion. Ihr liegt der Widerstand einer Reihe von Reformarchitekten um die Jahrhundertwende gegen die damals verbreitete gewaltige, auf Repräsentation mehr als auf Funktionalität gerichtete wilhelminische Architektur zugrunde. Die Baumeister stellten die Funktion des Baus und die Bedürfnisse künftiger Bewohner den Mittelpunkt und setzten diese Idee durch klare architektonische Formen und durchdachte Detaillösungen um. Die Wohnung, das ganze Haus, sollten ein ebenso harmonisches wie ästhetisches Umfeld für das Leben der Bewohner schaffen. Dazu gehörte auch die Einbeziehung der umgebenden Grünflächen und Gärten, insbesondere der prägenden Vorgärten, die im Eigentum der Stadt blieben. Es entstand am Camillo-Sitte-Platz* ein prächtiger Schaugarten, und der Moltkeplatz wurde mit Tennis- und Turnplätzen der körperlichen Ertüchtigung gewidmet, die in der Reformzeit um 1900 zu einem wichtigen Aspekt wurde. Dem Besucher des Moltkeviertels bietet sich vom Uhrenturm der im Moltkeviertel gelegenen Baugewerbeschule ein Rundblick auf die Stadt Essen und ihr Siedlungsgebiet entlang der Ruhr, die bei schönem Wetter zu sehen sein sollen...
Der geplante Besuch der Villa Hügel und ihres Parks fiel kurzfristig aus, wurde aber spontan durch den Vortrag unseres Vorstandsmitglieds Christa Hasselhorst ersetzt, die auch die dortige Führung hätte übernehmen sollen. Sie hat sich neben ihren bekannten Büchern und Artikeln zum Thema Garten auch intensiv mit der Villa Hügel befasst und im Auftrag der Krupp-Stiftung das Buch „Der Park der Villa Hügel“ verfasst. Auch ohne vorbereitete Bilder schuf Christa Hasselhorst in einem fesselnden Vortrag ein lebendiges Bild des Gartenkunstwerks und seiner Geschichte.
Neben den Rundgängen gab es für Diejenigen, denen das Wetter in Essen unbehaglich erschien, oder die sich die Spaziergänge nicht zutrauten, im Haus der Technik schöne Herbstgartenbilder von und mit Ursel Borstell, die seit Kurzem auch dem Organisationsteam der Gartengesellschaft in Nordrhein-Westfalen angehört. Die Essener Fotografin hat schon mehrerer Gartenbücher gestaltet, so „Ein Landhausgarten für Genießer”, „Ein Garten voller Lebensfreude“ und – zusammen mit Christa Hasselhorst – ‘Ein Garten für alle Jahreszeiten“.
In der anschließenden Mitgliederversammlung standen in diesem Jahr keine besonderen Ereignisse wie Wahlen oder Beschlüsse auf der Tagesordnung. Auf eine Nachwahl für die aus dem Vorstand ausgeschiedene Beisitzerin Marlis Ehlen für die verbleibende Amtszeit wurde verzichtet, denn schon im nächsten Herbst in Hamburg ist der ganze Vorstand neu zu wählen.
Die Präsidentin informierte über die erfreuliche Neugründung des Zweiges Ostwestfalen. Die Initiatoren des dortigen Schneeglöckchenfestes haben sich zu einem Zweig der Gartengesellschaft zusammengeschlossen, so dass ihr Fest nun unter den Fittichen der Gartengesellschaft auf festen organisatorischen Füßen steht. Zweigsprecherin ist Anja Birne, die für ihre wunderbaren Gartenreisen bekannt ist. Die Präsidentin berichtete über das von Angelika Traub und Karin Wiedemann organisierte Seminar, das Anfang Oktober die Mitglieder der Organisationsteams in den Zweigen in Volpriehausen bei Uslar zu praxisnaher Fortbildung und einem Besuch des Alten Botanischen Gartens in Göttingen zusammenführte.
Keine Jahrestagung ohne erhellenden Gartenvortrag! „Gelebte Gartenkultur“ illustrierten Manfred Lucenz und Klaus Bender in ihrem bilderreichen Beitrag und gaben anschließend noch den einen oder anderen praktischen Hinweis.
Zum Kruppschen Anwesen führte uns das festliche Abendessen am Fuße der Villa Hügel. Das stilvolle historische Restaurant „Parkhaus Hügel“ wurde 1870 von Alfred Krupp als Casino für sein Unternehmen erbaut und liegt malerisch am Baldeneysee.
Sonntag ist die Zeit für Exkursionen. Die Auswahl anlässlich der Essener Tagung fiel nicht leicht. Die Gärtnerei Anja Maubachs in Wuppertal Ronsdorf, die Gärten von Hermann Gröne und Thorsten Matschiess in Nettetal und Brüggen sowie Schloss Benrath standen zur Auswahl.
Hermann Gröne demonstriert in seinem Privatgarten, wie ein zeitgemäßer, an natürlichen Vorbildern orientierten Garten gestaltet werden kann. Zu einer organisch geschwungenen Linienführung sieht der Gartengestalter keine Alternative, wenn harmonische Gartenbilder aus Stauden, Gräsern und Gehölzen entstehen sollen.
Thorsten Matschiess hat sich vor allem auf Kerzenknöteriche (Persicaria amplexicaulis) spezialisiert von denen sein Grundstück zahlreiche Sorten aufweist. Er liest sie dort aus, um immer mehr Farbvielfalt an Blüten und Blättern, größere Standfestigkeit und längere Blütezeiten zu erzielen.
Anja Maubachs „Staudengärtnerei Arends“ wurde 1888 von ihrem Urgroßvater, dem bekannten Staudenzüchter Georg Arends (1863-1952), gegründet. Sein Schwerpunkt lag in der Züchtung winterharter Stauden. Um dieses Ziel zu erreichen war ihm der exponierte Hügel in der rauen Lage des Bergischen Lands gerade recht. Was unter diesen Bedingungen gedeiht, wächst auch in anderen Regionen. Aus der Züchtungsarbeit Georg Arends’ gingen ca. 350 neue "x arendsii- Stauden" hervor.
Ein weiteres Ziel der sonntäglichen Exkursionen war Schloss Benrath, das Kurfürst Carl Theodor von Pfalz-Sulzbach im 18. Jh. als Lust- und Jagdschlosses vom französischen Bau- und Gartendirektor Nicolas de Pigage an Stelle eines heruntergekommenen Wasserschlosses errichten ließ. Pigage baute in dem in Frankreich seit dem 17. Jh. für adelige und königliche Häuser gebräuchlichem Stil, der zur Gebäude und Gartenanlage strikt aufeinander bezog. Dieser Stil war im letzten Drittel des 18.Jh. durchaus anachronistisch zu nennen, bedenkt man, dass ein Jahr vor der Fertigstellung in Benrath, im Jahre 1769, der Grundstein für die erste klassizistische Anlage auf dem europäischen Festland, in Wörlitz, gelegt wurde, die nun den Prinzipien der Aufklärung und nicht mehr absolutistischen Ausrichtung auf den „Hausherrn“ folgt. Der Park des Schlosses Benrath ist von hoher künstlerischer Qualität, von großer Bedeutung für die Geschichte der Gartenkunst und bildet mit den Gebäuden ein sehenswertes Gesamtkunstwerk. Der Park sucht auch als Naturschutzgebiet seinesgleichen. Der älteste Bereich des Gartens geht bis in das 17. Jahrhundert zurück. Im Kurfürstengarten, den im 19. Jh. herausragende Gartenkünstlern wie Maximilian Friedrich Weyhe und Peter Joseph Lenné anlegten, finden sich seltene nordamerikanische Gehölze.
Das Museum für Gartenkunst widmet sich der europäischen Gartenkunst in all ihren Aspekten, wie der historischen Entwicklung der Gartenformen, speziellen Themenbereichen wie Blumenmoden, Verwendung von Skulpturen, Gartenplänen, Gehölzschnittkunst, Apothekergärten oder den Abenteuern der Pflanzenjäger auf ihren Beutenzügen um die Welt. Derzeit zeigt Schloss Benrath die Ausstellung „Neue Gärten! Gartenkunst zwischen Jugendstil und Moderne. Wer sich für das Thema „Refomgärten um 1900“ interessiert und nicht nach Düsseldorf fahren möchte, dem sei das reich bebilderte Buch gleichen Titels empfohlen, das Dr. Stefan Schweizer, der Direktor der Museen Stiftung Schloss Benrath, herausgegeben hat.
Jahrestagungen der Gartengesellschaft bleiben selten ohne Folgen für die Bildung. Sie regen an zum Nachlesen und manchmal auch Nachhören, denn besonders bei historischen Gärten lassen auch immer auch Musik, Literatur und bildende Künste mitdenken. Epochen der Gartenkunst – in der Historie wie in der Moderne - stehen immer in enger Verbindung zum Zeitgeist. Wissbegierige Gartenfreunde werden immer eine Verknüpfung suchen mit vorhandenem Wissensgut und dieses zur eigenen Bereicherung mehren wollen. Während einer Kurzreise ins Dessau-Wörlitzer Gartenreiche hörte ich nicht selten die Bemerkung „Das muss ich unbedingt nachlesen.“ Dieser Wunsch nach weiterer Vertiefung ist es, was die Kompetenz unserer Mitglieder so umfassend macht, sie ständig erweitert und die Freude an der Gartenkultur ausmacht. Soviel zum Besuch in Essen. Nächstes Jahr sehen wir uns wieder: In Hamburg...
KW 27.11.2017
* Camillo Sitte war ein österreichischer Architekt, Stadtplaner, Städtebau- und Kulturtheoretiker und Maler. Mit seinem Buch „Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen“ war er einer der Ersten, die sich mit der Stadtplanung des Industriezeitalters auseinandersetzten. Er gilt als „Wiederbegründer der Stadtbaukunst"