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Foto: Marion Nickig

Duft und Farbe – Gärten werden zu Oasen

Ruth Zacharias ist den Mitgliedern der Gartengesellschaft als erste Preisträgerin des Alma de l‘Aigle-Preises bekannt, der ihr 2013 im Rahmen der Jahrestagung in Kassel verliehen wurde. Diese Auszeichnung, so die seit ihrem 10. Lebensjahr blinde Autorin im Vorwort, gab den entscheidenden Impuls zum vorliegenden Buch. Es vermittelt ihren subjektiven Zugang zum Erlebnisraum Garten, der Blinden - und erst recht Taubblinden - einen ganz eigenen Wahrnehmungs- und Bedeutungshorizont erschließt. Mit dem Botanischen Blindengarten ist es Ruth Zacharias gelungen, ein bis heute einzigartiges Projekt mit Modellcharakter zu etablieren. Der Garten ist ein lebendiger Begegnungsort und entfaltet therapeutische Kraft für die Gäste des Therapiezentrums „Storchennest“ und die taubblinden Bewohner der nahen ambulant betreuten Wohneinrichtung.

Die vielfarbige Collage persönlicher Erkenntnismomente, historischer Anekdoten zur Entwicklung des „Storchennests“ und tiefer Glaubensüberzeugung macht das emphatische, kämpferische und streitbare Engagement der Autorin deutlich, ohne dass

dieses Projekt nicht hätte Wirklichkeit werden können. Aus intensiver eigener Erfahrung im Umgang mit Pflanzen erkennt Ruth Zacharias den grundlegenden Wert für ein gesundes, liebevolles „in der Welt sein“. Für Blinde und Taubblinde wirkt die sinnliche Ausstrahlung der Pflanzen als wichtiger und belebender Impulsgeber. Neben den taktilen Qualitäten kommt hier dem Duft der Pflanzen besondere Bedeutung zu. Zacharias fordert: „Wenn Pflanzendüfte so vielfach das Wohlbefinden fördern, dann haben gerade taubblinde Menschen ein Recht auf sie.“

Die Autorin belässt es aber nicht bei diesem Apell. Eine wesentliche Leistung des Buches liegt in der grundlegenden Vermittlung einer auch für Landschaftsarchitekten neuen Perspektive, denn gestalterische Konzepte sind in der Landschafts- und Gartenarchitektur bisher nahezu ausschließlich visuell geprägt. Die Komplexität menschlicher Naturerfahrung durch Riechen und Tasten und deren unmittelbare psychische (und physische) Wirkung erschließen sich aus den anschaulichen Beiträgen zu Tast- und Geruchssinn von Prof. Dr. Tobias Back (Neurologe, Sächsisches Krankenhaus Arnsdorf). Die gezielte Ansprache der Sinne bedingt aber eine „Wahrnehmungsgestaltung“ und einen „Zusammenklang“ der Sinne, bemerkt Karolin Linker (Sinnwerk Kulturver­mittlung, Zürich) ergänzend. Diese Wahrnehmungsgestaltung ist Ruth Zacharias ein besonderes Anliegen. Analog zu einer visuell geprägten Gartenkultur entwickelt sie erste Konturen einer „Architektur der Düfte“. Das ist ein mutiges Unterfangen, denn Düfte sind flüchtig und lassen sich auch verbal nur schwer definieren. Zacharias typisiert dennoch einundzwanzig unterschiedliche Duftnoten und kombiniert über zwanzig harmonische Düfte, teilweise mit exakten Angaben für die Anzahl der Pflanzen, um ein „Zuviel des Guten“ zu vermeiden.

So ist der Titel „Duft und Farbe“ in dieser neuen Reihung als Apell für „Sinn-volle“ erweiterte Perspektiven in der Gartenkultur zu lesen und bietet auch für Schulen und Hochschulen ein lehrreiches Angebot – vor allem kann es als wertvolle Ergänzung des planerischen Arsenals im therapeutischen Umfeld genutzt werden. Konkrete, vielfach im „Storchennest“ erprobte Lösungen formulieren erstmals einen klaren Qualitätsstandard, an dem sich künftig öffentliche Anlagen messen lassen müssen.

Ruth Zacharias: Duft und Farbe – Gärten werden zu Oasen, edition winterwork 2019. Gebundene Ausgabe, 154 Seiten mit zahlreichen Fotos aus dem Botanischen Blindengarten Radeberg. Bezug über Ruth Zacharias Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.sowie im Buchhandel: ISBN978-3-96014-576-9

Rezension: Angelika Traub