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Foto: Christa Brand

Zukunft der Stadtbäume im Klimawandel

Um die „Zukunft der Stadtbäume im Klimawandel“, um nicht mehr und nicht weniger ging es am 26.9.2022 bei der Tagung der BUKEA

(Behörde für Umwelt, Energie, Klima und Agrarwirtschaft) und der Universität Hamburg in der Handwerkskammer am Holstenwall.

 

Die Gruppe Green 4, zu der auch die Gartengesellschaft gehört, hat diese Tagung mit dem Vortrag von Phillipp Sattler unterstützt. Green 4 ein Zusammenschluss von vier grünen Verbänden und fordern für die Stadt Hamburg: Initiative, Planung, Mut und eine Erhöhung der finanziellen Mittel für ein qualitätsvolles, dauerhaftes und schönes Grün.

Die Behörde und die Uni veranstalteten diese Tagung gemeinsam, weil es damit eine Gelegenheit gab, die Forschungsergebnisse aus einem besonderen Projekt der Uni, dem Projekt BOBaSt, einem breiten (Fach-) publikum vorzustellen.

Nach einem Grußwort von Umweltsenator Jens Kerstan gab Frau Annette Wagner von der BUKEA einen Überblick über den Baumbestand in Hamburg.

Rund 227.000 Straßenbäume gibt es in Hamburg. Es gibt 81 Gattungen mit 320 Arten.

Hamburg ist eine Lindenstadt mit 53.600 Exemplaren, das sind 23,7 % aller Bäume, dicht gefolgt von Eichen (22,2%).

Ahorn hat einen Anteil von 13,7 %, weitere Baumarten wie Hainbuche, Platane, Birke, Esche, Vogelbeere und Kastanie, zwischen 3 und 4 % Anteil.

Noch wichtiger jedoch ist die Betrachtung des Baumalters, denn es sind die großen, alten Exemplare, die die Leistungsfähigkeit haben, das Stadtklima zu verbessern: Luftreinigung und Kühlung.

Ca. 14.000 Bäume sind über 100 Jahre alt, 30.000 über 80 Jahre, 92.000 zwischen 40 und 80 Jahren.

Diese drei Kategorien sind es, die Hamburgs größten Wert für das Stadtklima darstellen.

Wenn man sich das klarmacht, erscheinen einem die häufigsten Gründe in den Fällanträgen, die nicht wegen fehlender Standsicherheit oder mangelnder Vitalität, sondern wegen Baumaßnahmen gestellt werden, geradezu unverantwortlich. Hier eine Auswahl aus Frau Wagners Praxis:

Telekommunikation, 2. Rettungsweg, WC- Häuschen, Altglas-/ Altpapiercontainer, private Überfahrten, Garagenzufahrten.

Ketzerische Zwischenüberlegung: WC- Häuschen und Altglas-Container sind ja wohl von öffentlichen Stellen aufgestellt. Kann man das den Amtskollegen nicht verbieten? Bemerkenswert war, dass  Frau Wagner und ihre Kollegen bereits über vierzig Schulungen für Tiefbaufirmen und Telekommunikationsfirmen über den Umgang mit Bäume durchgeführt haben.

Seit 2005 beteiligt sich Hamburg am GALK-Straßenbaumtest, erläuterte Torsten Melzer, ebenfalls Mitarbeiter der BUKEA.

GALK steht für Gartenamtsleiterkonferenz. Seit 1976 empfehlen die Gartenamtsleiter Bäume für die Stadt. Diese immer weiterentwickelte Liste enthält neben heimischen Arten z.B. auch welche aus Südost -Europa, die das veränderte Stadtklima mit mehr Hitzetagen und trotzdem auch Frosttagen gewohnt sind.

Frau Prof. Dr. Annette Eschenbach (UHH) führte in das Projekt BoBaSt ein, in dem es um Bodensubstrate und Baumauswahl für klimaangepasste Stadtbaumpflanzungen ging.

Mehr Hitzetage und die Verdichtung der Stadt durch mehr Wohnungs- und Straßenbau erfordern Gegenmaßnahmen in der Stadtplanung. Als Ausgleich muss es eine bessere Durchgrünung der Städte geben, und diese muss durch die richtige Auswahl aus klimaresistenten Gehölzen unterstützt werden.

Eindringlich wies Frau Prof. Eschenbach noch einmal auf die Bedeutung der Bäume als Lebewesen hin, die (leistungs-) fähig seien, Kühlung durch Verdunstung und Beschattung herzustellen.

Aber dabei müssen sie unterstützt werden, durch ausreichend große Standorte, richtig gewähltes Substrat, ausreichende Wässerung vor allem in den ersten beiden Standjahren und die richtige Pflanzenauswahl. Ziel des BoBaSt- Projektes sind ganz konkrete Handlungsempfehlungen für das Pflanzen von Bäumen im urbanen Raum.

In Zusammenarbeit mit der Baumschule von Ehren wurden in den letzten Jahren in Hamburg- Marmstorf ein umfangreiches Feldexperiment mit drei unterschiedlichen Baumgrubensubstraten durchgeführt. Dabei wurde die Resilienz von 9 ausgewählten Baumarten und -sorten gegenüber Trockenphasen erfasst. Pro Baumart und Substrat wurden jeweils 5 Exemplare, also insgesamt 135 Bäume gepflanzt.

Anschaulich erläuterte der Doktorand Alexander Schütt die dabei erfassten Daten zur Bodenwasserverfügbarkeit im Zusammenhang mit der Leitfähigkeit der Spaltöffnungen der Blätter.

Welchen Stress-Syndromen und Mortalitätsrisiken Stadtbäume ausgesetzt sind, wurde von Dr. Christoph Reisdorff (UHH) dargestellt.

Sehr interessant und praxisnah war bereits der Beitrag des Baureferenten Peter Schlinsog aus München. Man darf sagen, dass München eine Vorreiterrolle bei der Innenstadtbegrünung spielt. Staunend hörten wir, dass die Stadt eine eigene Baumschule von 60 ha Größe betreibt und alle Pflanzen, neben den Bäumen und Sträuchern auch Stauden und einjährige Sommerblumen, für das öffentliche Grün selber zieht.

2013 wurde in München eine Baumvitalitätserhebung gemacht. Es war aufgefallen, dass sich der Kronenzustand verschlechtert hatte, und zwar nicht nur bei den Straßenbäumen, sondern auch bei den Bäumen in Parks und Grünanlagen, also eigentlich stressfreien Standorten für Bäume.

Es wurde überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, um den Zustand zu verbessern.

Neben der Verwendung von neuen Baumarten und Erhöhung der Baumarten- Vielfalt, um das Risiko von großflächigen Schädigungen zu minimieren, wurde über die Optimierung des Baumstandortes nachgedacht und die ZTV-Vegtra-Mü entwickelt die zusätzliche technische Vorschrift für die Herstellung und Anwendung verbesserter Vegetationstragschichten.

Es werden eigene Bodensubstrate hergestellt, z.B. unter Verwendung des Sandes aus dem Spielplatzsandtausch, dabei wird in Ober- und Unterbodensubstart unterschieden.

Entscheidend aber ist, dass dieses Substrat, von einer Firma im Auftrag der Stadt München hergestellt, zwingend bei allen öffentlichen Projekten anzuwenden ist. Nur so sei die geforderte Qualität zu gewährleisten.

Bemerkenswert auch die Festlegung der Baumgrubengröße auf 36 cbm (!) statt der üblichen 12 cbm. Und die Durchsetzung dieser Größe auch bei Tiefbau- und anderen Bauprojekten!

Weiterer Garant für eine erfolgreiche Begrünung mit Bäumen ist die Dauer der Anwuchspflege: Drei Jahre bei der Standardgröße der Hochstämme 20-25-30 cm STU (kleiner wird nicht gepflanzt),5 Jahre bei Großbäumen.

In wunderbaren Bildern zeigt Bernhard von Ehren die Vielfalt der Möglichkeiten einer klimaresistenten Baumpflanzung. Er verwies auf die unterschiedlichen klimatischen Herkünfte, die für jeden Standort eine optimale Auswahl erlaubten und lud ein diese im aufgepflanzten Klimahain in der Baumschule in HH- Marmstorf kennenzulernen.

Dazu passte der Beitrag von Frau Dr. Sandra Gloor von unabhängige Forschungs- und Beratungsgemeinschaft SWILD aus Zürich, darin wurde das Thema Biodiversität als Auswahlkriterium für Stadtbäume in den Mittelpunkt gerückt.

SWILD ist eine unabhängige Forschungs- und Beratungsgemeinschaft von Biologinnen und Biologen. Organisiert als non-profit Verein, arbeitet er seit 1989 in den Bereichen Stadt- und Siedlungsökologie, Wildtierforschung, Naturschutz und Kommunikation.

Unter der Leitung von Frau Dr. Gloor wurde eine Matrix entwickelt, in der für die Stadtbaumarten ein jeweiliger Biodiversitätsindex ermittelt wurde. Ausschlaggebend war, für wie viele unterschiedliche Individuen die Art Lebenstraum bot.

Die Biodiversität wird auch durch vielfältiges Bepflanzen der Baumscheiben gefördert. Auch auf Baumartenvielfalt an einem Standort sei zu achten, so könnten z.B. auch Mischalleen gepflanzt werden. Auch seien die Wildarten gegenüber züchterisch beeinflussten Sorten zu bevorzugen.

Phillip Sattler von der Stiftung Die grüne Stadt machte auf verschiedene Fördermöglichkeiten für Städte und Kommunen aufmerksam. So seien z.B. 4 Milliarden EUR in dem Fonds Anpassung an die Klimawende vorhanden. www.klima-allianz.de

„Die Klima-Allianz Deutschland ist das breite gesellschaftliche Bündnis für den Klimaschutz. Mit über 140 Mitgliedsorganisationen aus den Bereichen Umwelt, Kirche, Entwicklung, Bildung, Kultur, Gesundheit, Verbraucherschutz, Jugend, Soziales und Gewerkschaften setzt sie sich für eine ambitionierte und sozial gerechte Klimapolitik auf lokaler, nationaler, europäischer und internationaler Ebene ein.“ (Zitat Homepage)

Prof. Dr. Dirk Dujesiefken macht in seiner bekannten launigen, aber dennoch pointierten Art auf die Missstände in der Stadtplanung aufmerksam. Dem Baum wird schon in der Planung, insbesondere in der Straßenplanung, nicht der Lebensraum zugebilligt, der er braucht, um die Leistung zu bringen, die von ihm verlangt wird.

Wenn allen Beteiligten klar ist, dass insbesondere die alten Bäume den größten Nutzen für das Stadtklima haben, dann muss man die heutigen Neupflanzungen auch so planen, dass sie das Alter von 50 Jahren und mehr überhaupt erreichen.

Es galt also die Aufforderung an alle Anwesenden, sich als Multiplikatoren zu verstehen und sich für den Stadtbaum einzusetzen, und zwar bereits in der Planung, auf politischer Ebene und im Dialog mit den Bürgern der Hansestadt Hamburg.

Gabriele Schabbel-Mader
Freie Landschaftsarchitektin