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Foto: Marion Nickig

Diese Eichen lassen sich nicht umarmen

 

„Eine der Ruhe geweihte Oase, die, einer schlummernden Najade gleich, sich auf grünender Au und blumiger Wiese gelagert hat und ihr vom Laube tausendjähriger Eichen umkränztes Haupt in dem flüssigen Silber des Sees spiegelt“.  

Fritz Reuter

Das Wetter, wie bestellt, trocken und von angenehmer Temperatur, begleitet uns zu unserem Ausflug am 21. August in den Nordosten von Mecklenburg. Neun begeisterte Mitglieder der Gartengesellschaft finden sich zu einer Besichtigungstour ein, die durch den Park von Ivenack mit seinem Schloss und den Wirtschaftsgebäuden, dem Teehaus, der Orangerie, der Kirche und anschließend zum Wildpark mit den berühmten Eichen führt. Mittlerweile sind fast alle Gebäude im Park mit großem Aufwand und auch viel privatem Engagement restauriert.

Für uns eine geglückte Überraschung ist die Führung von Pastor Eckhard Gebser durch die Kirche (rechts im Bild). Er erzählt uns kurz die Geschichte des Gutes: Ursprünglich stand hier ein 1252 erbautes Zisterzienserinnenkloster. Um 1555 wurde das Kloster säkularisiert und kam in den Besitz der mecklenburgischen Herzöge. Im Dreißigjährigen Krieg wurden Klosterbauten, Kirche, Herrensitz und das Dorf zerstört. Ernst Christoph von Koppelow (1659–1721) ließ Schloss und Kirche wieder aufbauen. Danach wechselte das Gut in den Besitz der Familie von Plessen und anschließend in die Linie der Freiherren von Maltzahn. Das Gut war seinerzeit mit 7500 ha das größte und modernste Gut östlich der Elbe. 1867/68 erhielt die Kirche durch Umbauten ihr heutiges Aussehen und ihre großartige Innenausstattung. Die umfassende Sanierung der Kirche ist 2004 abgeschlossen. Auf ein wunderbares Motiv macht uns Pastor Gebser aufmerksam: Auf der Balustrade der Orgelempore können wir Szenen aus dem Paradiesgarten bewundern.

Da der Landschaftsarchitekt Matthias Proske, der den Park wieder herstellen wird, kurzfristig absagen musste, besichtigen wir den Park mit seinem Konzept in der Hand: Auch ohne sachkundige Führung kann uns unsere Zweigsprecherin Bärbel Jung die Sichtachsen erschließen und die markanten Punkte des Landschaftsgartens erklären – unsere Vorstellungskraft ist stark gefordert und wir ahnen, wieviel Arbeit noch nötig sein wird, um dieses Kleinod wieder herzustellen. Angelegt wurde der Park 1555. Im 19. Jahrhundert wurde er – der damaligen Mode entsprechend – zu einem weitläufigen Landschaftsgarten mit Teehaus und Orangerie umgestaltet. Der Park schließt den Tierpark und seine historischen Ivenacker Eichen mit ein, die wir nach einem Mittagsimbiss besichtigen.

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Diese Eiche kann nicht umarmt werden

Forstamtsleiter a.D. Fritz Rüchel erzählt uns vom Werden und Vergehen dieser gewaltigen Bäume, deren Umfang teilweise bis zwölf Meter aufweisen. Man schätzt das Alter auf über 1000 Jahre – genaue Bestimmungen sind nicht möglich, da sie Innen alle hohl und damit die Jahresringe nicht mehr vorhanden sind. Entgegen mancher Vorstellungen sind diese Bäume ein Ergebnis einer Jahrhunderte alten bäuerlichen Kultur: der Hute- oder auch Hudebewirtschaftung. Da Eichen „Lichtbäume“ seien, so erläutert uns Fritz Rüchel, können sie nicht im Wildwuchs unter Büschen und anderen schneller wachsenden Bäumen heranwachsen. Schweine, aber auch Rinder, wurden zur Mast in die Wälder getrieben. Dort futterten sie nicht nur die Eicheln, sondern fraßen auch den Aufwuchs um die Eichen herum weg. Nur so hatten die Eichen ausreichend Licht und Luft und konnten zu diesen monumentalen Riesen heranwachsen. „Wir leben in einer vom Menschen gemachten Naturlandschaft“, erklärt er uns, „um die Naturdenkmale, aber auch die Artenvielfalt zu erhalten, muss der Mensch in den Wildwuchs eingreifen“.

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Noch heute gibt es Schweine im Wildpark

Auf einem Teil des Wildparks ist eine Obststreuwiese angelegt. Hier verzauberte uns ein fast paradiesisch anmutendes Bild: Völlig unbeeindruckt von den vielen Besucherinnen und Besuchern äste Damwild zwischen den Bäumen oder lief hemmungslos den Menschen hinterher, um Leckereien zu erbetteln.  

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Am Ende des interessanten und lehrreichen Tags spazierten einige Unermüdliche auf dem 620 Meter langen und 20 Meter hohen Baumkronenpfad.

Bärbel Jung