Bericht über das Symposium „Frauen in der Gartenkultur“
im Rahmen der Jahresversammlung der Gesellschaft zur Förderung der Gartenkultur e.V.
Die Moderation des von der Vizepräsidentin Anja Birne gestalteten Symposiums lag wieder in den bewährten Händen von Heike Sicconi – gartenradio.fm. Frau Sicconi stellte mit viel Hintergrundwissen und Empathie die einzelnen Vortragenden vor und spornte diese - bei Bedarf - mit einer Gärtnerkelle zur Zeitdisziplin an.
Die einleitenden Worte kamen von unserer Präsidentin, Karin Wiedemann. Jedes gärtnernde Ehepaar kennt das Phänomen: die Frau werkelt mit den Händen in der Erde, den Mann kriegt man nur zum Gärtnern, wenn man ihm ein motorisiertes Gerät dazu kauft. Bei Frauen und dem Begriff Gartenarbeit denkt man immer noch an die „niederen“ Tätigkeiten im Garten. Da klingt das englische gardening schon anspruchsvoller, umfassender und auch mehr nach Freude am Tun als der deutsche Ausdruck Gartenarbeit. Schon seit langem wollen Frauen aber nicht nur Beete von Beikräutern befreien, sondern selber Gärten gestalten, also die Gestaltungsmacht über Gärten und Parks innehaben. Und dass sie genau das können, zeigten die folgenden Vorträge sehr eindrücklich.
Den Anfang machte Anja Birne mit dem Vortrag:
Gärtnerinnen – Blühende Leidenschaften für die Zukunft
Als 2020 coronabedingt keine Gartenreisen und Vorträge stattfinden durften, reiste unsere Vizepräsidentin Anja Birne mit der bekannten Fotografin Marion Nickig durch Deutschland und die Nachbarländer und besuchte Gärtnereien, die durch Frauenhand geprägt sind. Die Fülle der im Vortrag vorgestellten Betriebe zeigte, dass Frauen als Gärtnerinnen und Gartengestalterinnen beileibe keine „exotischen“ Wesen sind, sondern im Gartenbau- und Pflanzenzuchtbereich eine ganz wichtige Stellung für die Gartengestaltung in Zeiten des Klimawandels einnehmen. Die besuchten Betriebe waren überwiegend solche, in denen „traditionell“ gegärtnert wird, d.h. es wird selbst ausgesät, angezüchtet und vermehrt. Es werden Mutterpflanzenquartiere gepflegt, in denen historische Sorten bewahrt werden und neue Züchtungen sich bewähren dürfen. Jede der Gärtnereien hat ihren eigenen Tätigkeits- und Pflanzenschwerpunkt, was sich sehr positiv auf den Erhalt der Artenvielfalt auswirkt.
Frau Birne stellte u.a. die Duft- und Wandelgärtnerei Karen Schoebel (Bergen/Dumme) vor, welche sich auf Wildalpenveilchen, Duftpelargonien, Farne und Hostas spezialisiert hat. Im Bereich Cyclamen bietet diese frauengeführte Gärtnerei deutschlandweit die größte Arten- und Sortenvielfalt und bei den Duftblattpelargonien sind es auch stattliche 90 Sorten.
Die Gärtnerei Angermaier in Bad Feilnbach, seit 1996 geführt von Anna Angermaier, verkauft eine einzigartig breite Palette an Pelargonien. Dank der Sammelleidenschaft Anna Angermaiers konnten viele alte Bauerngeranien erhalten werden, die zudem eine hohe Trockenheitsverträglichkeit aufweisen.
In Oldenburg führt die Diplom-Biologin Elke Haase das Baumschul-Unternehmen Piccoplant. Sie hat russische Fliederschönheiten nach Deutschland gebracht und kann mittlerweile über 400 verschiedene Sorten dieses Duft-Klassikers präsentieren. Frau Haase geht bei der Pflanzenvermehrung einen neuen Weg: den der in-vitro-Vermehrung im Reagenzglas.
Lange Zeit in Frauenhand ist die Gärtnerei Gräfin von Zeppelin, 1926 gegründet mit der Vision, einen weltweit vernetzten Spezialitäten-Vertrieb aufzubauen. Wir alle wissen, dass aus diesem Zukunftstraum schnell Realität geworden ist.
Schon im 19. Jahrhundert waren Gärtnereien Ausflugsziele für Städter, die sich im Grünen der Gärtnerei „ergingen“, sich zum Tanztee trafen oder Boule spielten. Und auch heute suchen Menschen Erholung in den Ruhe und Ästhetik ausstrahlenden Schaugärten von Gärtnereien. So wie in der Bioland-Gärtnerei „Kräuterei“ von Charlotte und Annika Brunkhorst in Oldenburg, einer grünen Stadt-Oase, in der Familien und Studenten gerne ihre Mittagspause verbringen. Und das hoffentlich noch möglichst lange, die Stadt blickt mit begehrlichen Augen auf das schöne Grundstück.
Einen „Tanztee“ der modernen Art plant die Zierpflanzengärtnerin und Bloggerin Emily Cox. Wenn die Zimmerpflanzen-Gärtnerei erst einmal Wirklichkeit geworden ist, möchte sie dort Techno-Partys veranstalten! So schließt sich der Bogen vom 19. zum 21. Jahrhundert.
Im zweiten Vortrag des Tages stellte uns Dr. Christine Nagel die Kurfürstin Anna von Sachsen vor:
Kurfürstin Anna von Sachsen – Gärtnerin im 16. Jahrhundert? Nützliches und Kurioses aus der sächsischen Hofgärtnerei
Die dänische Prinzessin Anna (1532 – 1585) wurde 15jährig mit August, Herzog von Sachsen (1526-1586) verheiratet. Obwohl arrangiert, schien die lange Ehe der beiden glücklich zu verlaufen. Ihr Mann wurde 1553 mit dem Tod seines älteren Bruders Moritz Kurfürst von Sachsen. Wahrscheinlich weckte schon ihre Mutter bei Anna von Sachsen das Interesse am Sammeln von Kräutern und der Herstellung von pflanzlichen Heilmitteln. Als Kurfürsten-Ehepaar zogen sie nach Dresden, wo Anna von Sachsen zusammen mit einem Gärtner den Hofgarten bestellte. Während ihr Mann sich besonders für die Anzucht und das Veredeln von Obstbäumen engagierte, konnte sich die Kurfürstin - auch aufgrund ihrer hohen Stellung - der Leidenschaft des Pflanzensammelns und der Anzucht von Kräutern als Grundlage ihrer vielfältigen Arzneimittel widmen. Immer wieder erbat sie von befreundeten Fürstenhöfen Samen und Reiser exotischer Pflanzen. So bekam sie 1572 „türkische Blumen“, wobei heute unklar ist, ob das Tulpen oder Hyazinthen gewesen sind. Auch Tabakpflanzen, Lavendel, Thymian, Ysop und Rosmarin kultivierte sie in ihrem Dresdner Garten. Schloss Annaburg, welches ihr Mann von 1572-1575 für sie erbauen ließ, avancierte zum Lieblingsschloss des Kurfürstenpaares. Es besaß eine erweiterte Gartenanlage, in der 30.000 Obstbäume kreisförmig angepflanzt wurden, darunter Äpfel, Birnen, Pflaumen, Zwetschgen, Kirschen und Quitten. Das geerntete Obst verarbeitete sie z.B. zu Saft, Latwerge oder „Konfekt“. Als Konfekt wurde damals ein schnittfestes Fruchtmus bezeichnet.
Anna von Sachsen besaß ein sehr großes Wissen über Kräuter und stand mit Medizinern und Apothekern in Kontakt, um ihre Rezeptsammlung für das Herstellen pflanzlicher Arzneimittel zu erweitern. Die Ausgangsmaterialien für ihre Heilmittel stammten aus ihren eigenen Gärten und Vorwerken, aus der freien Natur und Apotheken. Mit den Produkten ihrer Arbeit versorgte sie nicht nur die eigene Standesschicht, sondern auch Angestellte und die sächsische Bevölkerung.
Ihre berühmteste Arznei war der Aquavit oder Aqua Vitae. Er bestand aus 350 verschiedenen, hauptsächlich pflanzlichen Ausgangsstoffen, wurde neunmal destilliert und brauchte mehrere Jahre bis zur Fertigstellung. Neben dem weißen Aqua Vitae gab es den gelben, welcher wohl durch einen etwas lieblicheren Geschmack bestach. Eingesetzt wurden beide bei allgemeiner Schwäche und Unwohlsein. Zu Neujahr verschickte Anna jeweils ein Glas weißen und ein Glas gelben Aqua Vitae an befreundete Adlige. Neben dem Aquavit waren z.B. ihre Magen-Latwerge aus Kalmuswurzel, das Augenwasser mit Augentrost und ihre „Gegengifte“ zur damaligen Zeit sehr beliebt.
Dr. Christiane Droste und Susanne Isabel Yacoub führten uns in das seit 25 Jahren bestehende
Netzwerk „Frauen in der Geschichte der Gartenkultur“ verbunden mit „Grün-lila Biografien“ ein.
Das Netzwerk besteht heute aus 340 Mitgliedern, die transdisziplinär daran arbeiten, Frauen ins Licht zu rücken, die früher und gegenwärtig einen prägenden Anteil an Gartenkultur und -architektur hatten und haben. Das Netzwerk möchte durch die Sichtbarmachung von Lebensgeschichte und Leistung Frauen aus dem Schattendasein herausholen, indem Forschungsvorhaben und Veröffentlichungen über sie angestoßen werden. Z.B. über die Dadaistin Hannah Höch, deren Garten in Berlin-Heiligensee sie, wie sie sagte, über die Nazizeit gerettet hat. Einmal als Rückzugsort in einer feindlichen Welt, zum anderen als Anbauort für Gemüse und als Versteck für Kunstwerke, die sie im Garten während des Krieges vergraben hatte. Oder über die Gärtnerin und Autorin Beate Hahn (1894-1970), über die wir noch einen Vortrag hören werden.
Das Netzwerk möchte bewusst machen, dass bestimmte geschlechterspezifische Begrifflichkeiten wie „im Schatten des Mannes stehen“, „dem Mann den Rücken stärken“, „aus dem Nähkästchen plaudern“ der Frau einen Raum zuteilen, der ihren Leistungen heute und auch früher nicht gerecht wird. Dazu veranstaltet das Netzwerk Ausstellungen, Tagungen und Exkursionen, bei denen das „Peer-to-Peer-Learning“ (Lernen, Wissensaustausch auf Augenhöhe) und gegenseitige Wertschätzung die Grundlage des forschenden Miteinanders sind.
Dr. Editha Weber, die den anschließenden Vortrag über
Constance Spry – Blumenschmuck für die Queen
halten sollte, konnte aufgrund der Überschwemmungssituation nicht mit der Bahn anreisen, hatte aber ihren Vortrag mit wunderbar aussagekräftigen Bildern auf Video aufgenommen. Hinterher waren wir Zuhörenden uns einig: Perfekter, lebendiger und mehr zu Herzen gehender kann man ein Video nicht gestalten. Das i-Tüpfelchen waren Fotos von Blumensträußen, die Dr. Editha Weber denen von Constance Spry nachempfunden hatte.
Wer war Constance Spry? Ein Ausspruch über sie lautet: „Sie hat das gesellschaftliche Korsett der Frau mit der Gartenschere durchschnitten.“ Der britische Journalist Beverly Nichols schrieb im Vorwort eines ihrer Bücher: „Sie hat … die höchste Gabe, Dinge zum ersten Mal auf eine neue Art und Weise zu sehen und sie in ihrer Gesamtheit und losgelöst von Konventionen zu betrachten.“ Mit diesem Zitat spielt er auf ihr Talent an, Blumen auf eine völlig neue Art und Weise zu arrangieren. Anfang des 20. Jahrhunderts war es in Großbritannien üblich, Rosen oder Lilien in kostbaren Pokalen anzuordnen. Constance Spry, die Blumen über alles liebte, ging in der Blumenkunst ihren ganz eigenen, ungewöhnlichen Weg. Als Vasen wählte sie Gefäße wie Milchkannen, Eimer, Gläser, Flaschen oder Saucieren. Später ließ sie sogar eigene Keramik-Vasen herstellen. Die Sträuße bestanden aus Blumen, kombiniert mit bis dahin nicht als dekorativ empfundenen Pflanzen wie Wilder Möhre, Kohl, Rhabarber, Artischocke oder Kräutern vom Wegesrand. Gerne verwendete sie auch Zweige und wilde Beeren für ihre floralen Kompositionen.
Sie war Künstlerin, Gärtnerin, Köchin, Lehrerin, Schulleiterin und Autorin. Und das alles, obwohl sie in einfache und eingeschränkte Verhältnisse hinein geboren wurde. 1886 erblickte sie in Derby, East Midlands GB das Licht der Welt. Ihre Eltern vermittelten ihr, dass man sich durch Bildung hocharbeiten kann. Constance machte eine Ausbildung zur Krankenpflegerin und Gesundheitserzieherin. Während ihrer Arbeit für die Irish Women`s National Health Organisation verliebte sie sich in den verwitweten Bergwerksarbeiter James Marr. Die beiden heirateten und bekamen einen Sohn. Während des 1. Weltkrieges arbeitete Constance für das irische Rote Kreuz, verließ aber 1916 sowohl Irland als auch ihren wohl gewalttätigen Ehemann und ging zurück nach England. Dort wurde sie 1921 Schulleiterin im ärmlichen Eastend von London und unterrichtete Jugendliche in verschiedenen Fächern wie Kochen und Nähen, später auch Blumenkunst. Ein Schlüsselerlebnis war für sie der Gelddiebstahl einer Schülerin „um Papierblumen kaufen zu können, damit ich auch etwas Schönes in meinem Leben habe“, wie das Mädchen sagte.
Darauf passt folgendes Zitat von Constance Spry: „Tun Sie, was Ihnen gefällt. Folgen Sie Ihrem eigenen Stern. Seien Sie originell, wenn Sie es sein wollen und nicht, wenn Sie es nicht sein wollen. Seien Sie natürlich und fröhlich und unbeschwert und hübsch und einfach und überbordend und allgemein und barock und kahl und streng und stilisiert und wild und gewagt und konservativ. Und lernen und lernen und lernen Sie. Öffnen Sie ihren Geist für jede Form von Schönheit.“
In London lernte Constance den verheirateten Henry Ernest „Shav“ Spry kennen. Sie begannen ein Verhältnis, in deren Verlauf Constance den Namen „Spry“ annahm, obwohl sie nie geheiratet haben. In den 1920er Jahren nahm ihr Interesse für Blumenkunst immer mehr zu. Am Anfang standen Aufträge, Kinos und Parfümerien floral auszugestalten. Diese Arbeit machte ihr so viel Spaß und sie war darin so erfolgreich, dass sie mit knapp 43 Jahren beruflich umsattelte und 1929 ihr erstes eigenes Geschäft eröffnete: die Flower Decoration Ltd.
Sie war für den Hochzeits-Blumenschmuck von Wallis Simpson und dem abgedankten britischen König Edward VIII. 1937 verantwortlich – ein Ereignis, welches in England ignoriert wurde, dafür aber in den USA und Frankreich auf großes Interesse stieß. „The Royals“ gaben ihr erst 1947 wieder einen Auftrag: den Blumenschmuck für die Hochzeit Elisabeths II. zu arrangieren. Ihr größter Auftrag war die Oberaufsicht über die Blumendekoration anlässlich der Krönungszeremonie Elisabeths II. Im Zuge dieses Ereignisses erfand sie zusammen mit ihrer Freundin Rosemary Hume das Rezept „Coronation Chicken“.
Ein weiteres Zitat von Constance Spry: „Ich war zuerst und hoffe auch weiterhin, Gärtnerin zu sein. Es ist eine unerwartete Kombination von Umständen, die mich dazu brachten, beruflich etwas zu tun, was ich früher nur zur Entspannung gemacht habe, aber so gerne ich es auch mache, ich mag es nicht, wenn die Routine zu tief sitzt“ (1933 in der Vogue). In Kriegszeiten reiste sie durch Großbritannien und zeigte den jungen Frauen, wie man einen Gemüsegarten pflegt, weil sie überzeugt davon war, dass „in der unweigerlich schwierigen Welt von morgen“ einer jungen Frau Kenntnisse von Gartenarbeit und Kochen „zusätzliches Vertrauen in das Leben“ geben kann.
Sie veröffentlichte 13 Bücher (u.a. „Flower Decoration“, „Come into the Garden, Cook“), eröffnete eine Floristikschule und mit knapp 60 Jahren zusammen mit ihrer Freundin Rosemary Hume in Winkfield Place, Berkshire, eine Hauswirtschaftsschule. 1960 stolperte sie auf der Treppe in Winkfield Place und starb eine Stunde später. Ihre letzten Worte: „Ein anderer muss die Blumen machen.“
David Austin, der geniale Rosenzüchter, widmete ihr, der leidenschaftlichen Sammlerin alter Rosensorten, 1961 seine erste Rosenschöpfung, die rosa erblühende „Constance Spry“.
Und es ist noch heute eine augenzwinkernde Redewendung in England, wenn nur irgendwo ein Glas mit Blumen herumsteht: „Ah, Constance Spry – keine Kosten und Mühen wurden gescheut.“
Danach entführte uns Dr. Renate Hücking in
Barocke Welten – Sophie von Hannover und Niki de Saint Phalle im Garten von Herrenhausen
Sophie von Hannover (1630-1714) gilt als die geistige Schöpferin des Barockgartens von Herrenhausen. Sie wurde als Sophie von der Pfalz im politischen Exil (Niederlande) geboren. Mütterlicherseits war sie mit dem englischen Königshaus verwandt: ihre Mutter Elisabeth Stuart hatte Erbansprüche auf die britische Krone. Erzogen wurde Sophie am Prinzenhof in Leiden, da ihre Mutter den Anblick von Meerkatzen und Hunden denen ihrer Kinder vorzog. Der Anblick der Grachten, die den Adelshof umgaben, hat sie für ihr Leben geprägt. 20jährig zog Sophie nach Heidelberg zu ihrem älteren Bruder und wurde 1658 mit dem Herzog Ernst-August zu Braunschweig-Lüneburg verheiratet. 1662 stieg Ernst-August zum Fürstbischof von Osnabrück auf. Zunächst lebten sie auf Schloss Iburg bei Osnabrück, weil das Schloss Osnabrück noch renoviert wurde.
1664-65 unternahm Sophie eine Grand Tour nach Italien. Sie besuchte u.a. Venedig, Rom und die Toskana und ließ sich von den Renaissance-Gärten Italiens für ihre später angelegten eigenen Gärten inspirieren. Besonders die Wasseranlagen mit „springendem Wasser“ (Wasserfontänen) hatten es ihr angetan. Im Schloss Osnabrück kümmerte sie sich ab 1674 gemeinsam mit dem Gärtner Martin Charbonnier um die Ausgestaltung des Residenzgartens. Um auch vom niederländischen Flair ihrer Kindheit umgeben zu sein, schickte sie ihren Obergärtner zu Studienzwecken in die Niederlande. Der Osnabrücker Residenzgarten war der erste Garten, der Sophies Handschrift trug. Es entstand ein symmetrischer Broderie-Garten mit zentralem Wasserbecken. Umgrenzt wurde der Garten von Wassergräben. Zunächst wurden die geometrischen Quartiere angelegt, später kam ein Baumgarten dazu - wobei zu ihrem Kummer die Bäume zu langsam wuchsen.
1679 holte sie sich bei einer Frankreich-Reise weitere Anregungen für ihren Garten. Angetan hatten es ihr die Schlossparkanlagen von Liancourt und Saint-Cloud, wohingegen sie über Schloss Versailles etwas spitz bemerkte: „Da hat das Geld größere Wunder getan als die Natur.“ 1680 zogen Sophie und Ernst-August nach Hannover, weil der ältere Bruder Ernst-Augusts verstorben war und Ernst-August von ihm die Regierung des Fürstentums Calenberg übernahm.
In den 1680er Jahren kümmerte sie sich – wieder gemeinsam mit Martin Charbonnier – um die Ausgestaltung des Barockgartens in Herrenhausen. „Der Garten ist mein Leben“, so Sophie von Hannover über die Sommerresidenz in Herrenhausen. Im Anschluss an das Parterre mit seinen 16 quadratischen Beeten ließ Sophie lange, gerade, heckengesäumte Wege anlegen. Ihre größte Freude war es, Spaziergänge durch ihren Garten zu unternehmen. 1692 erlangte ihr Mann die Kurfürstenwürde, was natürlich auch mehr Macht und Prestige für Sophie bedeutete. Als Kurfürstin von Hannover konnte sie mit ihrem repräsentativen Garten prunken. 1695 ließ sie für ihre exotischen Kübelpflanzen (u.a. Zitrus, Oleander, Engelstrompete) ein Winterquartier bauen. Im Sommer standen die Zitrusbäume in geraden Reihen als stilisierter Hain vor dem Schloss. Die zur damaligen Zeit in Mode gekommenen Granatapfelbäume verwarf Sophie wieder, weil sie nicht immergrün sind und im Winter grünlaubige Zitrusbäume mehr hermachten. Ihrem großen Wunsch, im Garten eine riesige Wasserfontäne zu erbauen, konnte zu ihren Lebzeiten nicht entsprochen werden. Dazu brauchte es die Ingenieurskunst des 18. Jahrhunderts; es gelang erst 1720, das Wasser 35 m hoch „springen“ zu lassen.
In Herrenhausen verwirklichte Sophie die Idee einer italienischen Grotte im Großen Garten. Die drei Grottenräume wurden mit buntem Glas, Muscheln und Kristallen verziert und dienten im Sommer als verzauberter, kühler Rückzugsort. Schon im 18. Jahrhundert verfielen die Schmuckelemente der Wände und erst zur EXPO 2000 wurde die Grotte durch Niki de Saint Phalle „wiederbelebt“. Zwei barocke Welten treffen seit der Wiedereröffnung der Grotte 2003 aufeinander: Der barocke Garten Sophies von Hannover und die moderne Ausgestaltung der Grottenräume mit den barock-geformten Figuren Saint Phalles.
Sophie von Hannover starb 1714 – während eines Spaziergangs durch ihren geliebten Garten.
Der Vortrag von Fine Molz (Staudengärtnerei Fine Molz und Till Hofmann, Rödelsee) trug den Titel
Über den Gartenzaun und wieder zurück
Geht es nicht auch darum beim Gärtnern? Sich mit anderen Gärtnern auszutauschen, Samen und Pflanzen „über den Gartenzaun“ weiterzugeben und andere wieder zurückzubekommen? Dieser Auffassung ist Fine Molz, die 2017 zusammen mit ihrem Mann in die „Wüste“ nach Rödelsee bei Würzburg gezogen ist, um dort eine Staudengärtnerei zu betreiben. „Wüste“ deshalb, weil z.B. 2022 im ganzen Jahr in Rödelsee 400 ml Niederschlag gefallen sind; das ist die Menge Regen, die man einer Steppe zugesteht.
Mit einem Gartenzaun hat man sich früher gegen die Wildnis außerhalb abgegrenzt, sich „eingefriedet“. Der Zaun bot den Kulturpflanzen Schutz, ungehindert von Wildverbiss und ggfs. auch Wind wachsen zu können. Fine Molz ist auf der Suche nach pflegereduzierten Pflanzen, mit denen man in Zeiten des Klimawandels dauerhaft schöne „Gartenbilder“ erschaffen kann, auch über den Gartenzaun hinaus, denn ein Garten wirkt auch über die Verbindung mit der ihn umgebenden Landschaft.
Viele unserer klassische Prachtgartenstauden funktionieren in einem Steppenklima nicht mehr. Deshalb erproben Fine Molz und ihr Mann sowohl einheimische Wildstauden als auch Stauden aus anderen Ländern, ob sie mit den zu erwartenden wärmeren und trockeneren Sommern zurechtkommen. Wichtig ist für sie auch, dass unsere Insektenwelt etwas mit den ausländischen Staudenblüten anfangen kann. Fine Molz: „So lange nur die Blütenform stimmt, fliegen auch unsere Insekten drauf, egal woher die Pflanze kommt.“ Interessant sind deshalb besonders solche Pflanzen, die bei uns gedeihen und außerdem noch andere Blühzeiten haben als die alten Gartenstauden. 50% ihrer Gärtnerei haben die Rödelsee-Gärtner in eine feste Bepflanzung umgewandelt, um testen zu können, welche Stauden ein Zukunftspotential besitzen. Fine Molz versucht, mit Pflanzungen Bilder zu schaffen, die auch durch die Dynamik der Veränderung ihre Schönheit bewahren. Im Beetvordergrund braucht es einen klaren Fokus, im Mittelbereich dürfen Farben und Individuen verschwimmen um dann – im Idealfall – sich im Hintergrund mit der umgebenden Landschaft zu verbinden.
Pflanzen mit Zukunftspotential sind z.B. Nacht- und Königskerze, der amerikanische Rittersporn Delphinium exaltatum, Zittergras, Wolliger Fingerhut, Bergfenchel, Schuppenkopf, Rasselblume und Kojotenweide (bildet Ausläufer).
Eine pflegende Gärtnerin wie Fine Molz kennt ihre Pflanzen; sie sieht sie als soziale Wesen, die über und unter der Erde ihren Beziehungsverpflichtungen nachkommen. Mit diesem Staudenwissen ist es auch in der heutigen Zeit des Wandels möglich, fließend-dynamische Pflanzenbilder zu schaffen.
Die Landschaftsarchitektin Anneken Fröhling bringt uns das Leben von Beate Hahn (1894-1970) in ihrem Vortrag
„Hurra – wir säen und ernten“ Die Gartenschriftstellerin Beate Hahn
näher. Der Nachlass von Beate Hahn ging 2022 an die Deutsche Gartenbaubibliothek der TU Berlin. Dort wurde er von der Studentin Anneken Fröhling ausgepackt und durchgearbeitet. Beate Hahn, geborene Jastrow, war eine heute fast vergessene jüdische Gärtnerin, Gartenpädagogin und Gartenbuchautorin, die sich besonders dafür einsetzte, dass Kinder spielerisch und mit Freude an das Gärtnern herangeführt werden. Ihre Gartenleidenschaft wurde in Berlin durch ihre Mutter geweckt. Schon mit 8 Jahren wusste Beate, dass sie Gärtnerin werden will. Mit 12 oder 13 Jahren lernte sie Karl Förster kennen. Sie wollte im Winter von ihm Maiglöckchen kaufen und als er meinte, die blühen doch erst im Frühling, hat sie erwidert, dass sie diese ja auf der Fensterbank vorkultivieren möchte. Er erkannte ihr Potential und die Verbindung der zweien blieb lebenslang erhalten. Zu seinem 90. Geburtstag schenkte sie ihm ein getrocknetes Maiglöckchen. Auch ihre Eltern unterstützten Beates grünen Daumen. Sie kauften ihr ein nahegelegenes Feld, welches Beate bebauen durfte. In der Gartenbauschule von Elvira Castner, Marienfelde, erhielt sie eine umfassende gärtnerische Ausbildung. Als Headgardenerin für einen Berliner Villengarten verliebte sie sich in den Sohn des Hauses, ihren späteren Mann. Der Familie Hahn gehörten im Ruhrgebiet große Stahlwerkfabriken. Als junge Ehefrau legte sie sowohl einen eigenen Garten an, als auch Werksgärten für die Angestellten ihres Mannes. Integriert in die Werksgärten mit Gemüseanbau waren Kindergärten mit eigenen Beeten für die Kleinen. Ihr Mann erkannte früh die Gefahr, die vom Nationalsozialismus ausging. Vor der Auswanderung kam er jedoch bei einem Lawinenunglück ums Leben. 1938 emigrierte Beate Hahn mit ihren Töchtern nach Amerika. Nachdem sie kreuz und quer durchs Land gereist war, entschied sie, sich in Heathview, Wolfeboro, New Hampshire niederzulassen. Um Geld zu verdienen, baute sie Gemüse an, welches sie an eine Konservenfabrik verkaufte. Auf dem erworbenen Grundstück hatte es vorher ein Sommerlager für Kinder gegeben. Das führte sie weiter als „Gardening Camp“ für Jugendliche. Aus den Werksgärten heraus entstand bei ihr die Idee zu Gemeinschaftsgärten, in denen auch Kinder – in der Mitte der Gesellschaft – ihren eigenen Bereich mit Beeten haben sollten. Ihr Vorschlag war, dass Eltern die Kinder anleiten sollten, ihr ca. 1 qm großes eigenes Beet kindgerecht zu pflegen. Je älter die Kinder wurden, umso mehr Verantwortung sollte ihnen übergeben werden: den Hausgarten mitzugestalten und z.B. neue Themenbereiche im Garten zu erschaffen.
Beate Hahn engagierte sich auch international bei „World Gardening“ und reiste in verschiedene Länder, um beim Aufbau von Gemeinschaftsgärten beratend zur Seite zu stehen. Gerade Kindern in Entwicklungsländern würde ein Garten eine Zukunftsperspektive geben, so Hahn. Alles, was Kinder fürs Leben bräuchten, würden sie im Garten lernen: Sie sehen das Wachsen und die Vergänglichkeit der Pflanzen - und damit des Lebens, bekommen Verantwortung für das eigene Beet, Entwickeln Raumgefühl und Phantasie. Durch die Arbeit in der Gemeinschaft bekämen sie ein Gefühl für den Wert des Zusammenlebens, für den Umgang mit Erfolg und Misserfolg und für Ordnungssinn und Pünktlichkeit. Dass der Garten auch noch Gemüse abwirft, ist sozusagen ein schöner Nebeneffekt.
Beate Hahn schrieb zahlreiche gartenpädagogische Bücher, u.a.:
Der Kindergarten - ein Garten der Kinder, erschienen 1936
Dein Garten wächst mit Dir. Vom Kinderbeet zum Wohngarten, erschienen 1952
Gärten für die Jugend mit der Jugend, erschienen 1960
Den Abschluss der Vortragsreihe bildete das Referat
Gartenbotanik, Wildpflanzenbotanik und der Internationale Gärtneraustausch: Loki Schmidt (1919-2010) von Dr. Hans-Helmut Poppendieck, der Loki Schmidt seit 1977 kannte.
Loki Schmidt, geborene Glaser, wuchs im Hamburger Arbeiterstadtteil Hammerbrook in bescheidenen Verhältnissen auf. Ihr Wunsch war, Botanik zu studieren. Das kam zu den damaligen Zeiten nicht in Frage, zum einen aus Kostengründen, zum anderen, weil sie eine Frau war. Stattdessen ergriff sie den Beruf der Lehrerin. Eine Person der Öffentlichkeit wurde sie ab 1974, als ihr Mann Helmut Schmidt Bundeskanzler wurde. Nun konnte sie etwas umsetzen, was schon immer eine Herzensangelegenheit von ihr war: der Umwelt- und Naturschutz.
„Natürlich haben mich bedrohte Pflanzen schon lange vorher interessiert. Nur wer hört schon auf eine kleine Lehrerin mit Namen Schmidt, auch noch von Hamburg aus? Kein Mensch. Ich habe ja in der Bonner Zeit, wie soll ich sagen, das Amt meines Mannes ein bisschen ausgenutzt, um Gehör zu finden.“
In den 1970er Jahren begann sich in Deutschland erst ein Bewusstsein für die Umwelt zu bilden. Loki Schmidt war da schon sehr viel weiter, sie hatte konkrete Vorstellungen davon, was sie wie tun wollte. 1976 gründete sie das Kuratorium zum Schutz gefährdeter Pflanzen, welches 1979 in die gleichnamige Stiftung überführt wurde.
Ziele der Stiftung waren (und sind):
- Öffentlichkeitsarbeit (z.B. durch die von Loki Schmidt ins Leben gerufene Aktion „Blume des Jahres“, der Verleihung der Silberpflanze, mit der seit 1977 verdiente Pflanzenschützer geehrt werden und durch das Organisieren von Symposien)
- Naturschutz auf eigenen Flächen betreiben (z.B. durch Erwerb von Narzissen-Wiesen im deutsch-belgischen Grenzbereich zum Erhalt letzter wilder Narzissen-Vorkommen oder Lokis „Urwald-Experiment“ am Brahmsee)
- eine Bestandsaufnahme aller Pflanzen Deutschlands
- Genbanken, Ausbringung von Wildpflanzen, Schutz der Ackerrand-Flora u.v.m.
1981 lud Loki Schmidt zu einem Symposium zur Einrichtung einer Samenbank für heimische Pflanzen in Bonn ein. Damit war sie ihrer Zeit weit voraus. Umgesetzt wurde diese Idee ab 2003 in einem Verbundprojekt von fünf botanischen Gärten, die sich um die Saatgutsammlung und Sicherung in Samenbanken kümmern. Daneben werden Erhaltungskulturen und Ansiedlungsmaßnahmen durchgeführt.
1986 gab Loki Schmidt den Anstoß für das Projekt „internationaler Gärtneraustausch“. Als erster ausgetauschter Gärtner ging Peter Eggers 1987 von Hamburg nach Jerusalem, um den dortigen Botanischen Garten beim Aufbau eines tropischen Gewächshauses zu unterstützen. Im Gepäck sollte er eigentlich über tausend Pflanzen haben, die aber von der israelischen Einfuhrbehörde einbehalten wurden. Bis es gelang, diese „freizukämpfen“, war ein Großteil eingegangen. Ab 1988 lief dann aber alles glatt; Israel hatte eine Quarantänestation für Pflanzeneinfuhren eingerichtet.
Zwischen 1992 und 2006 entwickelte sich ein reger Austausch von deutschen und russischen Gärtnern aus Hamburg beziehungsweise Sankt Petersburg. Mittlerweile beteiligen sich auch andere deutsche Botanische Gärten am internationalen Gärtnertausch und 32 andere Länder.
1997 veröffentlichte Loki Schmidt das Buch „Die Botanischen Gärten in Deutschland“. Es ist das erste und einzige Buch über alle Botanischen Gärten in Deutschland.
Loki Schmidt war die populärste Naturschützerin Deutschlands und hat mit ihrer Arbeit und ihren vielen Ideen mehr für die Verankerung eines grünen Bewusstseins in der deutschen Bevölkerung getan, als alle politischen Parteien zusammen.
Liebe Gartenfreundinnen und -freunde, dieses Mal dürft Ihr mit mir als Berichterstatterin der Jahrestagung hadern, weil ich nur den Inhalt des Symposium-Tages wiedergebe. Am Freitag kam ich zu spät zur Mitgliederversammlung, weil ich vormittags noch arbeiten musste und mittags auf der Fahrt nach Trier im Stau stand. Und den Exkursions-Sonntag (auf den ich mich ein halbes Jahr gefreut hatte) konnte ich nicht mitmachen, weil mein Hund krank geworden war und ich morgens um 8.00 h nach Hause fahren musste. So ist es nur der Samstag geworden, den ich, so gut ich es als berufsfremde Garten-Laiin vermochte, mitprotokolliert habe. Die Zeit mit gleichgesinnten Gartenfreunden zu verbringen, war aber wieder herzerwärmend und hat den Glückslevel enorm gehoben! Sogar Mitglieder seines eigenen Zweiges lernt man besser kennen.
Ein riesiges Lob und ein Dankeschön gehen an die Organisatorinnen der Tagung! Wo man hinhörte, waren alle Teilnehmer sehr dankbar für die hervorragende Vorbereitung und Ausrichtung der Jahresversammlung! Ich fand besonders die Auswahl der vorgestellten Gartenfrauen beim Symposium sehr interessant. Quer durch Bevölkerungsschichten und Jahrhunderte haben die porträtierten Frauen gezeigt, dass Grenzen mit Bildung, Wissen, Können und Leidenschaft übersprungen werden können.
Walli Geisel
Fotos: aus den jeweiligen Vorträgen abfotografiert
Fotos von zwei Exkursionen (Christliche Gartenkultur in Trier und Gärten des Gartendesigners Peter Berg an der Ahr, Sonntag, 22.09.2024):
Foto: Ingrid Voltmann-Schröder, Trier, Palastgarten, Kurfürstliches Palais und römische Palastaula, christliche Gärten
Foto: Ingrid Voltmann-Schröder, Garten Elke Gerber-Eckert, christliche Gärten
Fotos: hischa, Garten Peter Berg in Sinzig, Landkreis Ahrweiler
Foto: hischa, Privatgarten gestaltet von Peter Berg